Inspiration

Radl-Interview mit Nora Beyer

Wer Fahrrad fährt, hat mehr vom Leben, da ist sich Autorin und Radl-Expertin Nora Beyer sicher. In ihrem neuen Titel "Das Rad des Lebens" erzählt von ihren eigenen Erfahrungen auf dem Fahrrad, gibt wertvolle Tipps und unterhält mit humorvollen Weisheiten. Ganz gleich, ob man gemütlich an den See radelt, sich auf dem Mountainbike steile Abfahrten hinunterstürzt, sich auf dem Rennrad auspowert oder vielleicht sogar bei einer langen Radtour Ländergrenzen überquert – Radfahren hat viele aufregende Facetten. Im Interview hat uns Nora Beyer nun ein paar ganz persönliche Radl-Fragen beantwortet und mit Fotos aus ihrer Privatkollektion bebildert.

Haben Sie eine Lieblingserinnerung mit dem Rad oder eine liebste Reise?

Meine liebste Reise war die Reise allein von Nürnberg zum Nordkap in dreißig Tagen. Den ganzen Tag nur eine einzige Aufgabe zu haben – immer nach Norden zu radeln, den Wind im Gesicht. Das Zelt jeden Tag an einem anderen Ort aufzubauen, irgendwann am Polarkreis zu stehen – und dann immer noch weiterzufahren. Mitten hinein in diese karge Endlosigkeit zwischen Eis und Einsamkeit. Das hat mich manchmal ziemlich schmerzhaft auf mich selbst zurückgeworfen – aber jede Minute davon war gerade im Nachhinein unheimlich kostbar. Reduziert auf das Wesentliche – sowohl materiell (auf so ein Rad passt nur begrenzt Gepäck) wie auch immateriell (radfahren, essen, trinken, schlafen): Für mich ist das das Eindrücklichste am Reisen mit dem Rad. Und das, was mich auch immer wieder vor die Türe treibt und hinaus in die Welt mit meinem Rad. Eskapismus vom übervollen Alltag – aber eben eine gesunde Art von Eskapismus.

Foto: Mitten hinein in die karge Endlosigkeit zwischen Eis und Einsamkeit. Auf dem Weg von Nürnberg zum Nordkap. (Credit: Nora Beyer)

Gab es andererseits auch eine Panne, an die Sie sich oft erinnern?

Das glaubt mir immer niemand, aber ich hatte in all den zehntausenden von Kilometern, die ich bislang auf meinen verschiedenen Rädern durch die Welt gefahren bin – nah oder fern, noch nie eine schlimmere Panne als einen Platten – und auch den nur spärlich. Was es natürlich gab: Unvorhergesehene Umwege, Unerwartete Exkursionen und andere unplanbare Ereignisse. Die empfinde ich allerdings als „positive Pannen“ und habe diesen auch ein kleines Kapitel im Buch gewidmet. Raum lassen für Unerwartetes ist meiner Erfahrung nach ganz wichtig, um den Weg und damit die Reise authentisch zu erleben.

Foto: Raum lassen für Pausen, Exkursionen, Umwege – „positive“ Pannen. Irgendwo in Schweden auf dem Weg von Nürnberg zum Nordkap. (Credit: Nora Beyer)

Welche Art von Strecken fahren Sie selbst am liebsten?

Das ist immer davon abhängig, auf welchem Rad ich gerade sitze. Auf dem Renn- und Tourenrad (auf dem Tourenrad zumal mit viel Gepäck) sind mir wenig befahrene Teerstraßen am liebsten, die sich schmal auf Bergrücken zwischen dunklen Wäldern und weiten Feldern gen Horizont schlängeln – am liebsten mit Panorama-Blick während des Strampelns. Auf dem Mountainbike bin ich am liebsten bergab unterwegs – mit Vorliebe für Wurzel-Trails und Steinfelder. Und auf dem Lastenrad mit dem Kleinen vorne drin mag ich die Ebene mit Rapsfeldern und Badeseen dazwischen.

Foto: Meine Lieblingsstrecken variieren von Rad zu Rad. Auf dem Mountainbike schlägt mein Radl-Herz für Steinfelder. (Credit: Nora Beyer)

Wer ist Ihr größtes Vorbild und warum?

Tillie Anderson natürlich! Radpionierin, Durch-Kämpferin, Rennikone mit legendärer Bilanz. Und das, obwohl sie gerade damals um die Jahrhundertwende 19./20. Jahrhundert als Frau, schwedische Einwanderin in die USA und aus ärmsten Verhältnissen stammend, gegen unvorstellbare Widrigkeiten angetreten ist. Ihr ist auch ein Kapitel im Buch gewidmet. Aber eigentlich könnte man ganze Bücher mit ihr füllen!

Foto: Was nie schadet – sich jemanden suchen, zu dem Aufzuschauen sich lohnt. (Credit: Natalia Wrzaszczyk)

Wenn Sie unterwegs sind, dann eher als Solo-Radlerin oder in einer Gruppe?

Ich bin ehrlich gesagt überzeugte Einzeltäterin. Als selbstständige Journalistin und Autorin bin ich als Freelancerin immer viel in Kontakt mit Menschen und so hat sich das Radfahren für mich in den letzten Jahren zunehmend als Ausgleich entwickelt – als Garant einer gesunden Selbstbestätigung in Einsamkeit. Aber auch vorher habe ich meine Reisen – zum Beispiel mit der Transsibirischen Eisenbahn nach Russland, die Mongolei und China oder nach Südkorea und Japan immer am liebsten alleine und immer über mehrere Monate gemacht. Einfach, weil ich nicht „nur“ Touristin sein wollte, sondern in ein Land, das mich interessiert hat, wirklich einzutauchen. Deshalb habe ich etwa in der Mongolei gearbeitet, in Russland studiert und gearbeitet und in Südkorea studiert.

Foto: Nach dem Abitur bin ich das erste Mal alleine mit der Transsibirischen Eisenbahn in die Mongolei gefahren. (Credit: Nora Beyer)

Was ist Ihr Nr. 1 Tipp, wenn jemand mit dem Fahren von größeren Touren anfangen will und nicht weiß, wie er es angehen soll?

Klingt banal, aber mir hat immer geholfen: Internet anwerfen, Google Maps oder ähnliches öffnen, gewünschten Start- und Zielpunkt der Radreise eintippen, gucken, wie viel Kilometer rauskommen, überlegen, wie viel Kilometer man realistischerweise am Tag schafft und dann die insgesamte Reisedistanz durch die Tagesetappen-Kilometer teilen. Auf die Tage, die rauskommen, noch zwei, drei Puffertage draufschlagen. Auf einen Zettel schreiben. Urlaub beantragen. Fahrrad checken (lassen), Klamotten und Zelt draufpacken. Und einfach losfahren! Es stellt sich ohnehin erst on the road heraus, was man wirklich braucht und was nicht. Das ist dann auch der wichtigste Rat: Von unnötigem Ballast sollte man sich immer trennen! Dann radelt es sich erheblich einfacher.

Foto: Träumen. Dann losfahren. (Credit: Natalia Wrzaszczyk)

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